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Die Geschichte der Nachhaltigkeit

Der Begriff "Nachhaltigkeit" ist eines der „Modewörter“ des 21. Jahrhunderts. Alles soll plötzlich nachhaltig sein – oder zumindest danach aussehen. Bilder von Entzug, Ökofreaks, Greenwashing und wirtschaftsfremden Moralaposteln werden schnell negativ mit dem Begriff assoziiert. Aber was ist überhaupt dessen Bedeutung und Ursprung? Blicken wir einmal 200 Jahre zurück…

 

In Joachim Heinrich Campes „Deutschem Wörterbuch“ von 1809 findet sich der Begriff „Nachhalt“: „Nachhalt ist das, woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält.“ Ein kurzer Satz, der den Zugang zu der Tiefendimension des Begriffes eröffnet. Hier erscheint die Nachhaltigkeit als Gegenbegriff zu Kollaps.

 

Auch die Autoren des Club of Rome suchten 1972 in ihrem Modell für ein neues Weltsystem Antworten in der Idee der Nachhaltigkeit: Das System sollte „vor plötzlichem und unkontrollierbaren Kollaps gefeit und fähig sein, die materiellen Grundansprüche der Menschen zu befriedigen.“

 

Das eigentliche Wort „Nachhaltigkeit“ tauchte in seiner modernen Bedeutung zum ersten Mal 1713 in dem Buch „Sylvicultura Oeconomica“ von Hans Carl von Carlowitz in Leipzig auf. Carlowitz ist besorgt über die Ausplünderung der Wälder und die Übernutzung der lebenswichtigen Ressource Holz. Der drohende Holzmangel ist in ganz Europa die große, die alles überschattende Energiekrise seiner Zeit. Etwa das, was für uns im 21. Jahrhundert peak oil ist, das Versiegen der Ölquellen. Gegen den Raubbau am Wald setzt die „Sylvicultura Oeconomica“ die eiserne Regel, „daß man mit dem Holz pfleglich umgehe“. Und Carlowitz geht der Frage nach, „wie eine sothane [eine solche] Conversation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weil es eine unentbehrliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse [Existenz] nicht bleiben mag.“ Carlowitz ging es also um Nachhaltigkeit als Selbstschutz der Gesellschaft vor dem existenzbedrohenden Kollaps.

 

Das ökonomische Denken von Carlowitz hat zum Ausgangspunkt die Feststellung, dass sich der Mensch nicht mehr im Garten Eden befinde. Er müsse der Vegetation der Erde zur Hilfe kommen und „mit ihr agiren“. Er dürfte nicht „wider die Natur handeln“, sondern müsse ihr folgen und mit ihren Ressourcen haushalten. Im Einklang damit formuliert Carlowitz seine sozialethischen Grundsätze: Nahrung und Unterhalt stehen jedem zu, auch den „armen Unterthanen“ und der „lieben Posterität“, also den nachfolgenden Generationen.

 

Und heute?

 

„In Zeiten, wo das das Klimasystem in schwere Turbulenzen geraten ist wird Nachhaltigkeit notwendigerweise zum Mega-Thema. Nicht als Sahnehäubchen auf dem Kuchen einer Überflussgesellschaft, sondern als Schwarzbrot einer ökologischen Überlebenskunst.

 

Der Raubbau an den Ressourcen geht ungebremst weiter. An den natürlichen Lebensgrundlagen ebenso wie an den eigenen mentalen und psychischen Ressourcen. Die Folgen sind absehbar: Zum einen ist es die Erschöpfung der Lagerstätten auf dem Planeten. Zum anderen sind es die individuellen und kollektiven Erschöpfungszustände der Gesellschaft – die unheimliche Zunahme von Stress und Burn-out. Beides hängt unmittelbar zusammen. Die Jagd und die Aufholjagd nach den knapper werdenden Ressourcen macht uns krank. Diese Erscheinungen allgemeiner Erschöpfung werfen die Frage auf: Was ist wirklich wichtig? Was brauchen wir wirklich? Das Überflüssige, das Zerstörerische und Selbstzerstörerische aus seinem Leben zu streichen, ist kein Absturz. Es erleichtert und befreit. Einsparen, vermeiden, reduzieren sind die noch völlig unterschätzen Schlüsselfragen jeder Nachhaltigkeitsstrategie. Das Überflüssige gar nicht erst erzeigen – und dann in Kooperation mit anderen aus einem Minimum an Ressourcen ein Maximum an Lebensqualität schaffen. So öffnen sich gangbare Wege zu einem nachhaltigen Lebensstil.“ (Ulrich Grober, Die Geschichte des nachhaltigen Designs).

 

Freiwilliger Verzicht muss also nicht negativ sein. Verzicht ist Befreiung. Wer die Besitzlosigkeit zum Konzept macht erfährt die wahren Schätze und Werte seiner Umwelt. So auch die Denkweise von Franziskus von Assisi und vielen Weltreligionen:

 Der freiwillige Verzicht, nicht der erzwungene, öffnet einen Zugang zur glanzvollen Fülle des Lebens.

 

Aber wie kann ich nachaltig leben und wirtschaften ohne in völliger Askese leben zu müssen? Ein paar Ideen dazu in den kommenden Beiträgen.

 

 

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